Kamil Feucht ist leidenschaftlicher Parkour-Trainer, der seine Expertise sowohl als Sportlehrer an seiner Schule, als auch in seinem Sportverein Eschbach 1967 teilt. Parkour hat in den letzten Jahren weltweit an Beliebtheit gewonnen und begeistert Menschen jeden Alters. In einem exklusiven Interview möchten wir Kamil näher kennenlernen, um mehr über seine Begeisterung für den Hindernislauf und sein ehrenamtliches Engagement zu erfahren.
„Parkour ist die Kunst der Fortbewegung, das Ziel besteht darin, den schnellsten und effizientesten Weg für sich zu finden.”
Kamil Feucht, Parkour-Trainer
Hallo Kamil! Erzähl doch zunächst ein wenig von dir: Was machst du beruflich, was machst du in deiner Freizeit?
Ich bin Lehrer an der Fürstabt-Gerbert-Schule in St. Blasien. Meine Freizeit verbringe ich zu großen Teilen mit meiner ehrenamtlichen Tätigkeit im Sportverein Eschbach 1967. Im Grunde genommen ist es eher vergleichbar mit einem zweiten ehrenamtlichen Vollzeitjob verbunden mit Organisation, Sitzungen, Ausbildung von Trainern, Betreuung von FSJlern, Öffentlichkeitsarbeit und Training. Neben der großen Leidenschaft für den Verein, die Parkour- und Kampfsportabteilung, welche ich im Verein leite, betätige ich mich noch etwas im Bereich Klettern, Bergsteigen (eher saisonal), Trampolin springen und Enduro fahren. Neben den eher sportlich angehauchten Hobbys fliege ich ab und an Gleitschirm, jage und schieße in einem Schützenverein immer, wenn noch etwas Zeit übrig ist.
Wie kam die Idee, Parkour im Schulsport und als Vereinssparte anzubieten?
Ich habe mich schon immer für die Kunst der Fortbewegung interessiert, bin als Kind und Jugendlicher immer auf alles geklettert, bin herumgesprungen und habe mir waghalsige Verfolgungsjagden mit Freunden geliefert. 2009 fragte mich ein Freund, ob ich Lust hätte, mit ihm Parkour laufen zu gehen, wovon ich bis zu dem Zeitpunkt nichts gehört hatte. Nachdem wir bereits eine halbe Stunde liefen, fragte ich ihn, „was dieses Parkour sei“ und „wann wir damit anfangen würden“. Nachdem ich begriffen hatte, dass es eine professionelle Version von dem gab, was ich schon immer tat, war mir sofort klar, dass ich das besser lernen wollte. Ich lernte zusammen mit meinen beiden jüngeren Brüdern zwischen 2009 und 2011 bei der Gruppe „Parkour Freiburg“ die Kunst der Fortbewegung besser kennen und erlernte dort viele Techniken und Fähigkeiten im Parkour. Ich versuchte anfangs einige Freunde zu einer Teilnahme zu überreden, doch diesen war der Weg häufig zu weit. Zu dem Zeitpunkt war ich bereits Jugendtrainer im Karate in besagtem Sportverein Eschbach 1967 und konnte dort ohne große Hindernisse ein paar freie Hallenzeiten nutzen, um für mich zusätzlich Parkour zu trainieren.
Nach kurzer Zeit fragten einige meiner Freunde aus dem Karate, ob sie mal mittrainieren könnten. Nach einiger Zeit brachten diese Freunde jeweils wieder Freunde mit, welche auch mittrainieren wollten. Nachdem wir uns eine feste Hallenzeit in der Woche ergattern konnten, trainierten wir einfach und ich kam zu der Organisation und der Abteilung etwa wie die Jungfrau zum Kind. Nach etwas Werbung durch Workshops an umliegenden Schulen für das Parkourangebot, welches vorerst nur für Jugendliche und junge Erwachsene konzipiert war, hatte die Abteilung derart viel Zulauf und auch Anfragen von Kindern und Jugendlichen, dass sich schnell weitere Kurse anboten. So entstanden über die Folgejahre ein Kurs für Jugendliche (12-15 Jahre) und nochmals zwei Kurse für Kinder im Bereich unter 12 Jahren.
Zu Beginn habe ich Parkour lediglich als Workshops in Schule angeboten, seitdem ich an der Schule unterrichte, gehört es auch zum Inhalt von Stunden bzw. Einheiten in meinem Sportunterricht. Im Bildungsplan für die SEK I im Bereich Sport wird Parkour exemplarisch genannt und für die Umsetzung verschiedener Inhalte vorgeschlagen. Hier verbinde ich lediglich eine große Leidenschaft, besonderes Können und abwechslungsreichen und interessanten Sportunterricht mit klaren Zielen und Inhalten aus dem Bildungsplan, welche alle Schülerinnen und Schüler erreichen sollen.
Was motiviert dich, das Ehrenamt zu machen?
Ich bin selbst als Kind in den Genuss und das Privileg von der Gemeinschaft und dem Angebot des Vereins gekommen und mir ist es sehr wichtig, diese Möglichkeit an Kinder weiterzugeben. Insbesondere Kindern, welche sonst keine oder kaum Anlaufstellen haben und ihnen eine wertschätzende Gemeinschaft im Rahmen des Vereins, des Trainings und der Veranstaltungen zu geben.
Wer kommt bei eurem wöchentlichen Parkourtraining im Verein alles zusammen? Gibt es bestimmte Voraussetzungen teilzunehmen?
Wir haben zwei regelmäßige wöchentliche Termine, sowie eine flexible Trainingseinheit und häufig ist es so, dass sich Traceure (Personen, die Parkour laufen) auch außerhalb der regulären Zeiten in kleinen Gruppen treffen und Parkour laufen gehen. Montags trainieren die Erwachsenen und die Jugendlichen zwei Stunden in einem freien Training. Freitags haben wir vier Kurse, fangen mit der jüngsten Kindergruppe (6-8 Jahre) an, gefolgt von Kindern ab 9 bis ca. 12 Jahre, dann unserem Jugendkurs von ca. 12-15 Jahre und abschließend unseren Erwachsenenkurs ab ca. 16 Jahren. Hinzu kommt ein Training, welches sowohl in der Halle als auch Outdoor, je nach Bedarf samstags stattfindet. Besonderer Voraussetzungen bedarf es keiner, um an unserem Angebot teilzunehmen.
Was ist die größte Herausforderung beim Parkour?
Die größte Herausforderung im Parkour kann nicht pauschal benannt werden, da sich jeder ein anderes Ziel setzt, andere Voraussetzungen mitbringt und Parkour für sich gestalten muss. Das macht Parkour zu etwas so Besonderem, da jeder Traceur individuell für sich Parkour laufen kann und auch sollte, unabhängig von Konventionen, Vorstellungen und Überzeugungen anderer.
Für mich persönlich ist die größte Herausforderung meine eigenen Grenzen anzuerkennen und zu akzeptieren, dass manches manchmal nicht oder nicht sofort geht.
Findet das Parkourtraining üblicherweise in der Sporthalle statt oder sucht ihr auch urbane Standorte auf?
Unser reguläres Training findet in einer Sporthalle statt, wir suchen aber auch häufig urbane Umgebungen auf, um dort Parkour zu laufen. Ein regelmäßiges Training in der Halle bietet einfach eine Vielzahl von Vorteilen, neben der der Tatsache, dass es mit den jüngeren Kindern einfach nicht so einfach ist, direkt draußen zu trainieren. Gerade in unseren Breiten kommt es häufiger vor, dass es zu kalt ist, regnerisch oder auch Schnee liegt, was ein Training nicht unmöglich, aber doch sehr unattraktiv macht. So kommen Kontinuität und immer ein klarer Treffpunkt zustande. Viele Dinge kann man in einer geschützten Umgebung und mit entsprechenden Absicherungen in einer Halle auch besser erlernen und trainieren als draußen. Das Outdoor Training fällt entsprechend immer eher auf die wärmeren Monate und wird meist von den Älteren wahrgenommen bzw. auch nur dort explizit angeboten. Ich finde es unerlässlich, das Gelernte bzw. generell Parkour in urbaner Umgebung zu festigen oder zu trainieren, denn es ist eine Bewegungsform, welche von dort kommt und definitiv in der letzten Konsequenz auch genau dort hingehört.
Ein sehr zugespitzter Vergleich wäre, man würde einen Meerestaucher in ein Schwimmbecken packen und ihm an großen Bildschirmen des Tauchbeckens, bunte Fische zeigen. Ein Training in der Halle kann eine gute Übung sein, aber es kann nicht die Vielfalt, die Kreativität, die Härte und die Unverzeihlichkeit der Beton- und Asphaltumgebung mit allen seinen Facetten für den Traceur ersetzen.
Wie sieht ein typisches Parkourtraining aus?
Werden beispielsweise immer einzelne Hindernisse geübt, oder wird jedes Mal ein ganzer Parkour mit verschiedenen Hürden aufgebaut?
Das eine typische Parkourtraining gibt es bei uns nicht. Das hängt wiederum von einigen Faktoren ab. Alter der Trainierenden, wie viele Trainer verfügbar sind, wie viele Trainierende dabei sind, ob es sich um Fortgeschrittene oder Beginner handelt und ob das Training draußen oder drinnen stattfindet.
Im Kinder- und Jugendbereich (Indoor) gibt es immer ein angeleitetes Aufwärmen und in den allermeisten Fällen, bei ausreichender Trainerverfügbarkeit und durchschnittlicher Teilnehmerzahl (20-30 Kinder), ein Stationsbetrieb, an welchem die Kinder teilweise vorgeschrieben rollierend oder manchmal auch frei wählbar trainieren. Die jeweiligen Stationen fallen meist sehr unterschiedlich aus, es werden dort oftmals einzelne Techniken oder auch Überwindungen derselben Hindernisse mit unterschiedlichen Techniken erlernt, verbessert und erprobt, sowie auch oftmals Elemente verbunden, sodass die Kinder eine „Serie“ an Techniken einsetzen können. Von einem wirklichen Run, wie er später von den Traceuren gelaufen wird, würde ich in diesem Zusammenhang noch nicht sprechen. Auch mit den Kindern trainieren wir ab und an schon längere Runs, welche jedoch einen hohen Betreuungsaufwand erfordern und bei hoher Teilnehmerzahl zunehmend, aufgrund des unterschiedlichen Tempos der Kinder, schwieriger werden.
Im Jugendbereich findet auch noch oftmals das Stationstraining Anwendung, wobei die Jugendlichen meist viel freier darin sind, wohin sie gehen, was sie üben wollen und wie ihre Hindernisüberwindung aussehen soll. Hier werden immer häufiger die Stationen oder Elemente zu Runs verbunden oder die Jugendlichen bauen sich auch bereits eigene Elemente (nach Rücksprache) in ihrem freien Training auf, welches häufig Bestandteil gegen Ende der Stunde ist. Hier können sie eigene Ziele verfolgen und / oder das gelernte dieser oder der letzten Stunden in einem flüssigen Run vereinen. Ab der Jugend bieten wir auch Outdoor Training an, hier wird nach einem gemeinsamen Aufwärmen häufig noch Techniken oder bereits kleine Runs geübt und im weiteren Verlauf immer weiter gesteigert. Auch hier erhalten die Trainierenden bereits die Möglichkeit sich viel auszuprobieren, eigene Hindernisse und Runs zu entdecken und auszuprobieren.
Im Erwachsenenbereich (meist auch fortgeschritten) findet das Training (egal ob In- oder Outdoor) zunehmend selbstständiger statt und die Teilnehmer können ihre eigenen Ziele und Runs trainieren. Selbstverständlich bekommen Einsteiger ein „Einstiegstraining“ oder auch mehrere angeboten, bei welchen sie sich in die Materie einfinden können und herangeführt werden. Ganz nach dem Prinzip „each one, teach one“ geht man aber zunehmend auf einen Traceur zu und fragt einfach, wenn einem die Technik, der Run oder was auch immer sonst er gerade macht, gefällt, lässt es sich erklären und kann dann auch mitmachen.
Welche Tipps hast du an Sportlehrer, wenn sie Parkour in den Schulsport integrieren möchten?
Entweder ihr besucht vorher eine Fortbildung, ein Seminar oder noch viel besser ein reguläres Parkourtraining von irgendeiner Gruppe oder ihr holt euch einen Traceur an die Schule und lasst diesen eine Sportstunde machen. Parkour ist wie alle anderen Sportarten, Bewegungsdisziplinen und Aktivitäten total cool und kann unglaublich begeistern. Problematisch wird es, wenn man selbst kein Bezug dazu hat, sich lediglich ein paar Tutorials auf YouTube angeschaut oder sein Wissen aus einem Buch erlesen hat, damit Parkour (oder irgendeine andere Sportart) anzubieten, zu welcher man eigentlich keinen Bezug hat, es aber tut, weil man glaubt, damit en vogue zu sein oder weil es sich die Schülerinnen oder Schüler gewünscht haben. Das trifft den Sportlehrer natürlich deutlich anders als beispielsweise den Mathelehrer, denn bei Mathe kommt nicht alle paar Jahre eine neue Rechenart hinzu, beim Sport kann es durchaus vorkommen. Am Beispiel vom Parkour ist das passiert, Parkour wird auch ausdrücklich im Bildungsplan als möglicher Inhalt zur Vermittlung einiger Kompetenzen vorgeschlagen bzw. erwähnt und ergibt durchaus auch Sinn, WENN man als Lehrkraft selbst die Kompetenz in diesem Bereich vorweisen kann! Hierzu die anfangs erwähnte Auseinandersetzung mit der Materie oder alternativ, falls der Wunsch aus den Reihen der Schüler kommt und es dort eine Person gibt, welche Parkour läuft, warum nicht
dieser Person die Möglichkeit geben eine Stunde zu halten oder Inhalte mitzubringen (sofern dies vom Alter und der Reife her möglich ist).
Was wünschst du dir für die Zukunft des Parkours, im Allgemeinen und auch für deinen Verein?
Für die Zukunft des Parkours allgemein wünsche ich mir, dass Parkour weitere Traceure findet, Menschen begeistert und sich nicht normiert oder noch stärker institutionalisiert. Parkour lebt von der Freiheit, von der Individualität und für mich persönlich davon, dass es vollkommen wettkampfrei ist und kein Konkurrenzdenken gibt. Ein freundschaftlicher Wettkampf unter Traceuren, kleine Challenges gehören sicher dazu, aber die einzige Person, mit welcher man wirklich in Konkurrenz treten sollte bei diesem Sport, ist man selbst! Der Vergleich mit anderen Traceuren sollte niemals so hoch eingehängt werden wie der Vergleich mit sich selbst, dem was man war und wer man heute durch Parkour ist.
Für den Verein wünsche ich mir, dass die großartige Abteilung weiterhin bestehen bleibt, noch viele Jahrzehnte Kinder, Jugendliche und Erwachsene begeistern kann. Dass das Angebot vielen eine Stütze und ein Ort des Schutzes und der Sicherheit sein kann und dass viele weitere tolle Menschen daraus hervorgehen, welche sich wieder für den Verein, das Angebot oder generell in diesem Bereich engagieren. Genauso hoffe und wünsche ich mir, dass auch das Parkourangebot in unserem Sportverein weiterhin den Balanceakt auf dem äußerst scharfen Grat schafft, zwischen Institution und Eigenbestimmung, zwischen Anleiten und Ausprobieren, zwischen Vorschriften und Freiheit, zwischen Turnen und Parkour schaffen wird.
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